Gedanken eines Beteiligten
Der Kirchenvorstand hatte zu einer Gemeindeversammlung am späten Nachmittag des gestrigen Sonntag eingeladen. Es ging um nicht weniger als die Zukunft der Kirchgemeinde „Maria am Wasser“. Was ist der Hintergrund? Die Landeskirche will die Gemeinde zwingen, Strukturveränderungen vorzunehmen, bevor eine Entscheidung über eine Wiederbesetzung der Pfarrstelle getroffen werden kann. Wobei schon jetzt klar ist: eine simple Wiederbesetzung ist gar nicht gewollt.
Erfreulich viele Gemeindeglieder, aber auch Vertreter umliegender Kirchgemeinden und des „Sonntag“ waren der Einladung gefolgt. Pfarrer Deckert (unser Vakanzpfarrer aus Loschwitz) begann mit einer kurzen Andacht, bis dann der Kirchenvorstand die Leitung übernahm. Hier zusammengefasst meine wesentlichen Eindrücke:
Strukturveränderungen, Wiederbesetzung und Vakanzvertretung
Im Normalfall hat ein Gemeindemitglied mit solchen Themen wenig zu tun. Doch was ist „normal“, wenn die Landeskirche die Bildung von Großgemeinden mit 6000 Gemeindegliedern durchsetzen will (von einem Redner gestern als „Gemeindekombinate“ bezeichnet)?
Nachdem unsere Pfarrerin im letzten Herbst in den Ruhestand gegangen ist, wird in der Regel ein Vakanzvertretung eingesetzt, um den Zeitraum bis zur regulären Wiederbesetzung der Stelle zu überbrücken. Diese Vakanzvertretung ist jetzt Pfarrer Deckert, von der Kirchenleitung wurde dem Kirchenvorstand kurzfristig mitgeteilt, dass ab 1. Mai eine andere Person mit einem Stellenanteil von 50% diese Vertretung bis längstens Ende 2018 übernehmen soll. Es ist also keinesfalls eine Wiederbesetzung!
Genau diese Wiederbesetzung wird in Frage gestellt, wenn sich unsere Gemeinde nicht den Vorstellungen der Kirchenleitung beugt – dazu gleich mehr – und sich strukturell mit einer anderen zusammenschließt. Aber mit welcher? Will die andere Gemeinde das überhaupt? Sie haben ja Pfarrer – zumindest jetzt noch.
Kirche mit Hoffnung in Sachsen
So die Überschrift eines Strukturpapiers der Landeskirche Sachsen. Das klingt doch toll! Worin liegt die Hoffnung begründet? Tatsächlich in der schon erwähnten Schaffung von Großgemeinden, die mit dann veränderten Berufsbildern des Verkündigungsdienstes einher gehen sollen. Großgemeinden – und damit Zentralisierung aller Bereiche – sind die einzigen Antworten, die die Landeskirche auf den Mitgliederrückgang hat. Dieser Rückgang wird einfach fortgeschrieben, hier bis 2040! Irgendwann hat sich das „Problem“ erledigt, denn dann gibt es bei einer solchen Prognose gar keine Landeskirche mehr.
Zwei Hauptkritikpunkte wurden in der Diskussion deutlich:
Der Prozess der Entstehung: An der Erarbeitung waren einige Vertreter der Kirchenleitung und der Landessynode beteiligt. Die Gemeinden als Hauptbetroffene bekommen das Ergebnis serviert und sollen es jetzt umsetzen. Das Papier wird schon als Gesetz betrachtet, obwohl es, zumindest bisher, durch die Synode nicht bestätigt ist. Ich nenne so etwas Diktat.
Die Inhalte: Es gibt keine Analyse zur Ursache der Austritte aus der Kirche, es wird ausschließlich ein „weiter so“ betrachtet, ohne jede Alternative. Die Gemeinden sollen uniformiert werden. Vielfalt? Eigenverantwortung? Fehlanzeige, statt dessen Mut- und Perspektivlosigkeit.
Weitere Ergebnisse
In einem Punkt waren sich wohl alle Redner einig: Die Pfarrstelle muss wieder besetzt werden. Es geht darum, diese vitale, weit ausstrahlende Gemeinde vor Ort zu erhalten. Die umfangreiche Versöhnungsarbeit als Nagelkreuzgemeinde, eine Vielzahl von Taufen und Trauungen, die Gottesdienste in der Weinbergkirche dürfen nicht einer verordneten Kürzung der Pfarrstellen zum Ofer fallen.
Die Gemeinde ist offen für Kooperationen, sie pflegt ja auch schon verschiedene. Aber sie müssen immer der Basisarbeit aller beteiligten Partner (-Gemeinden), letztlich also der Verkündigung dienen. Eine Kooperation als Selbstzweck lehnen wir ab.
Die Gemeindeversammlung war nicht nur gut besucht, die Diskussion hat den starken Willen der Gemeinde gezeigt, im Sinne einer christlichen Kirche weiter vor Ort aktiv zu sein, aber mit einem Pfarrer / einer Pfarrerin. Gerade in unserer Stadt ist das unbedingt notwendig.
Ein ausgeteilter Fragebogen wird helfen, differenzierte Antworten für das weitere Vorgehen zu erhalten.
Was hat die Stiftung damit zu tun?
Zweck der Stiftung, so steht es in der Satzung, ist die Unterstützung und Förderung der Gemeindearbeit der Kirchgemeinde Maria am Wasser bzw. deren Rechtsnachfolgerin. Wer kann Rechtsnachfolgerin sein? Eine Elbhanggemeinde? Oder ein noch größeres Konstrukt? Wo fließt dann das Geld der Stifter und Spender hin? Somit ist klar: Die Zukunft der Gemeinde ist essentiell mit der Zukunft der Stiftung verbunden. Die Fragen müssen beantwortet werden.
Wolfgang Socher